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Selfie, Facebook und Selbstinszenierung

Man sieht es überall. Junge Leute, alte Leute, Gruppen. Manche pflanzen ihr Smartphone auf eine Lanze, dem Selfie Stick. Dann wird das Wer zum Wo. Vorher sind auf dem Foto nur Gesichter zu erkennen, mit Selfie Stick bekommt der Ort nochmals einen prominenteren Anteil an der Bildkomposition. Wenn wir in die Geschichte der Kunst schauen, dann sehen wir unzählige Selbstportraits. Van Goch, Dürer, dutzende Rembrands im Kostüm. Im Grunde ist das Selfie die Fortsetzung eines durch Smartphones und das Web immer weiter sendenden Inszenierungstriebs. Das bedächtig gepflegte Profil auf meiner Facebook Seite, die Auswahl des Profilbildes, mein Portrait auf der eigenen Webseite und die ständig über WhatsApp oder Treema herumgeschickten Bilder die zeigen was ich mache, wo ich bin oder was ich esse.

Ich habe plötzlich die Warnungen der Omas, „pass auf was die Leute von Dir denken“ im Ohr. Oh ja, auf dem Dorf muss man darauf achten was die Leute von mir denken. Aber was unterscheidet das Dorf von der Stadt? Es ist die Anonymität. Wo jeder jeden kennt, entkommt man nicht dem Gerücht, der üblen Nachrede. In einer Stadt kennt man selten den Nachbarn. Der Freundeskreis sind Wahlfreundschaften. Da nimmt man gerne auch mal weitere Entfernungen in Kauf um mit den Wahlfreunden zu feiern, die einem am Herzen liegen. Und die Sozialen Netzwerke gaukeln diesen Kreisen Nähe und Intimität vor. Damit das zuverlässig funktioniert, muss das System mit immer neuem Inhalt versorgt werden. Facebook ist in vielen Teilen der Welt ein eigenständiges Hobby. Die Freunde und Verwandten, wo auch immer sie über den Erdball verteilt sind, zeigen was sie den anderen präsentieren wollen. Ob das die Realität ist, das sei mal dahingestellt.

Um damit zu konkurrieren, dieses Bedürfnis zu befriedigen, gehen Filmemacher immer näher ran an den Menschen. Sie versuchen, noch mehr Einblicke in das Zuhause und die Psyche der Menschen zu präsentieren. Modernes Marketing verbreitet seine Botschaften immer seltener über Slogans, sondern über Menschen, über Botschafter. Steve Jobs ist nur einer von vielen. Denken wir an die vielen Sportler die omnipräsent für jedes Produkt werben. Und immer ist es die persönliche Note, der Eindruck, dass der Zuschauer jetzt gerade in das Wohnzimmer, die Umkleide oder im exklusiven Auditorium bei einer sehr exklusiven Präsentation Maus spielen darf.

Sind wir Menschen so leicht zu durchschauen? Der Mensch ist ein Herdentier. Zugehörigkeit zu einer Gruppe, und leider zu oft auch das bewusste Ausgrenzen der „Anderen“ gehört zur Stärkung der Gruppenidentität. Und um allen zu zeigen, dass ich zu eben dieser Gruppe gehöre, zeige ich ebendieser in regelmäßigen Abständen durch ein Selfie, dass ich mit meinen Aktivitäten dazu gehöre, das ich cool bin. Im Gegenzug feiert mich meine Gruppe für dieses oder jenes. Spektakuläre Selfies scheinen wichtig genug zu sein, dass im Jahr 2015 mindestens 12 Menschen den Versuch mit ihrem Leben bezahlten.

Für uns Filmemacher bedeutet es den Trend des nahen und intimen in unsere Filme mit zu integrieren, zumindest wenn der Film einen Viralen Weg gehen soll.